Hormonelles Management

Der Weg zu einer erfolgreichen Pferdezucht kann auch über ein vom Tierarzt begleitetes hormonelles Management führen. Ob unerwünschtes Verhalten der Stute in der Rosse, Turniereinsatz, die Terminierung des Besamungszeitpunktes mit TG-Sperma oder für einen Embryotransfer – es gibt viele Gründe, warum Züchter und Tierärzte in den natürlichen Zyklus von Stuten eingreifen wollen. Mithilfe verschiedener Hormonpräparate können Züchter den Zyklus sowie auch Fortpflanzungsstörungen beeinflussen. Dabei unterscheidet man zwischen der Beeinflussung des Sexualzyklus während der Zuchtsaison und während der saisonalen Zyklusruhe: Während der Zuchtsaison folgen Zyklusbeeinflussungen vor allem Managementerwägungen wie zum Beispiel einer genau terminierten Rosse bzw. Ovulation (auch Eisprung genannt), einer verbesserten Konzeptionsrate oder der Sicherstellung der Fortpflanzungsfunktion.
Beeinflussungen während der saisonalen Zyklusruhe dagegen dienen vor allem einer möglichst frühen Trächtigkeit und damit einem frühen Geburtstermin im Jahr, um Vorteile bei der Leistungsfähigkeit in der späteren Nutzung zu erreichen.

Hier finden Sie Informationen zu 

  • Auslösung der Ovulation durch GnRH oder hCG
  • Verschiebung und Unterdrückung der Rosse und Ovulation durch Gestagene
  • Rosseinduktion
  • Synchronisation von Rosse und Ovulation
  • Verschiebung der Fohlenrosse
  • Dauerhafte Unterdrückung der Rosse

Auslösung der Ovulation

Bei der Stute ist es schwierig, den genauen Zeitpunkt der Ovulation und damit den optimalen Zeitpunkt der Belegung oder Besamung zu bestimmen, zu variabel ist die Dauer des Östrus und entsprechend der Zeitpunkt der Ovulation. Gründe für eine zeitlich definierte Auslösung der Ovulation (Ovulationsinduktion) können sein:

  • Terminierung der Ovulation für Besamung mit TG-Samen oder Embryotransfer
  • Limitierung der Besamungsportionen bzw. Sprünge pro Rosse
  • bevorstehendes Wochenende
  • Stuten, die sich schlecht untersuchen oder decken lassen
  • Stuten, bei denen eine häufige Untersuchung oder Besamung aus gesundheitlichen Gründen problematisch ist
  • verzögerte oder ausbleibende Ovulation im Frühjahr bei unregelmäßiger oder verlängerter Rosse
  • krankhaft verlängerte Rosse
  • Turniereinsatz

Eine medikamentöse Ovulationsinduktion sollte nur erfolgen, nachdem durch wiederholte gynäkologische Untersuchungen der richtige Zeitpunkt dafür ermittelt wurde. Zum Einsatz kommen verschiedene Hormonpräparate wie

  • das Gonadotropin Releasing Hormon (GnRH) und 
  • das humane Choriongonadotropin (hCG).

Die, meist mehrfache, Verabreichung des Gonadotropin Releasing Hormons (GnRH), etwa Buserelin, löst innerhalb von 24 bis 36 Stunden nach der Behandlung eine Follikelreifung mit anschließender Ovulation aus und kann die Konzeptionsrate verbessern. Das in der humanen Plazenta gebildete Hormon Choriongonadotropin (hCG) hat beim Pferd eine vergleichbare Wirkung wie das luteinisierende Hormon (LH) und löst in der Regel nach einer einmaligen Injektion bei rund 80 Prozent der behandelten Stuten innerhalb von 36 bis 48 Stunden eine Ovulation aus. Nach mehrfacher hCG-Injektion können Tiere jedoch in seltenen Fällen hCG-Antikörper produzieren, das Hormon ist dann bei erneuter Anwendung wirkungslos.

Verschiebung und Unterdrückung der Rosse und Ovulation durch Gestagene

Mit einer mehrtägigen oralen Verabreichung (direkt oder mit dem Futter) von Gestagenen wie etwa Altrenogest, lassen sich Rosse und Eisprung verschieben. Das Hormon löst die Rückbildung aller großen Follikel aus und blockiert damit den Östrus und die Ovulation. Am Behandlungsende steigt die Konzentration sowohl des körpereigenen, follikelstimulierenden Hormons (FSH) als auch des luteinisierenden Hormons (LH) kontinuierlich an, wodurch neue Follikel reifen und wachsen.
Die meisten Stuten zeigen Rossesymptome innerhalb von 5 Tagen nach Absetzen von Altrenogest.

Bei Turnieren gut zu wissen:
Um bei einem Wettkampf unerwünschte Effekte der Rosse zu vermeiden, kann man etwa drei bis vier Tage vor einem Wettkampf eine kurzzeitige Behandlung mit Altrenogest beginnen. Die Anti-Doping-und Medikamentenkontroll-Regeln (ADMR) der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (Fédération Équestre Nationale, FN) als auch des Dachverbands Fédération Équestre Internationale (FEI) erlauben den Turnierstart von Stuten unter dem Einfluss von Altrenogest, fordern aber die Meldung auf einem Formular in den Veternary Regulations. Bei Wallachen und Hengsten darf Altrenogest auf Turnieren nicht eingesetzt werden (Stand 2019). Beachten Sie, dass sich die ADMR hin und wieder ändern.

Rosseinduktion

Bei nichttragenden Stuten bildet die Gebärmutter (Uterus) Prostaglandin F2α (PGF2α), welches etwa 14 Tage nach der Ovulation den Gelbkörper auflöst (Luteolyse). Dadurch stellt der Körper die Produktion des Gelbkörperhormons Progesteron ein.
Die Rückbildung des Gelbkörpers lässt sich auch aktiv auslösen, indem zwischen dem 6. und 14. Tag der Gelbkörperphase PGF2α oder eines seiner Analoga injiziert wird. Dies verkürzt den Diöstrus. Wann genau die Rosse einsetzt, ist abhängig vom Funktionszustand der Ovarien zum Zeitpunkt der Applikation: Je nach „Reifegrad“ der Follikel können Rossesymptome bereits innerhalb von 48 Stunden auftreten. Vor der Verabreichung von PGF2α sollte also unbedingt ein Veterinär durch eine gynäkologische Untersuchung den aktuellen Zustand (Status präsens) der Eierstöcke sowie die Existenz eines Gelbkörpers feststellen. Nur so lässt sich der Zeitpunkt für das Auftreten von Rossesymptomen sowie der Ovulation abschätzen.
Gründe für den Einsatz von PGF2α können sein:
•    Turniereinsatz
•    Vermeidung der Rosse am Wochenende
•    Rossesynchronisation von mehreren Stuten
•    bei Stuten mit stiller Rosse (Anöstrus)
•    zur Beseitigung eines persistierenden Gelbkörpers
•    Therapie von Entzündungen der Gebärmutterschleimhaut

Wichtig zu wissen: Nebenwirkungen von PGF2a
Bei einer Behandlung mit PGF2α kommt es häufig zu einer Erhöhung der Körpertemperatur und Schwitzen, vor allem im Nacken, an der Schulter und in den zentralen Abdomenregionen. Seltener sind eine erhöhte Herz- und Atmungsfrequenz, Ataxie, abdominale Schmerzen und Niederlegen zu beobachten. Diese Nebenwirkungen treten meist innerhalb von 15 Minuten nach der Applikation auf, verschwinden aber nach etwa einer Stunde wieder.

Synchronisation von Rosse und Ovulation

Mit dem Gestagen Altrenogest lassen sich auch die Rosse und die Ovulation von Stutengruppen zeitlich synchronisieren – zum Beispiel für einen erfolgreichen Embryotransfer oder aus Gründen des Managements: Je homogener die auf den Ovarien der Stuten vorhandenen Follikel zum Zeitpunkt des Rossebeginns sind, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, möglichst viele Ovulationen in einem engen Zeitfenster zu erreichen (Synchronizität). Die häufigste Methode zur Zyklussynchronisation ist die mehrtägige orale Gabe von Altrenogest ggf. in Kombination mit einer Prostaglandin(PGF2α)-Injektion 24 Stunden später. Dies bildet noch vorhandenes Gelbkörpergewebe zurück. Die Rosse ist drei bis sechs Tage nach Behandlungsende zu erwarten. Alternativ kann PGF2α zweimal im Abstand von 14 bis 15 Tagen verabreicht werden.

Verschiebung der Fohlenrosse

Mit Altrenogest lässt sich außerdem erfolgreich die Fohlenrosse verschieben. Das Ziel dabei ist, den Eisprung auf einen Zeitpunkt später als 15 Tage nach der Geburt (post partum) zu verlegen, damit sich die Gebärmutter länger regenerieren kann. Dadurch steigen die Chancen für eine Konzeption deutlich an. Jedoch sollte eine solche Behandlung nur bei Stuten durchgeführt werden, bei denen Geburt und Abgang der Nachgeburt ohne Störungen verlaufen sind.

Dauerhafte Unterdrückung der Rosse

Auch, um bei Stuten die Rosse dauerhaft zu unterdrücken, kann Altrenogest zum Einsatz kommen. Dies kann bei Stuten mit rossebedingten Verhaltensproblemen und damit verbundenen Einschränkungen der sportlichen Nutzung sinnvoll sein. Diese Maßnahme erfordert jedoch eine regelmäßige gynäkologische Kontrolle des Follikelwachstums. Ziel sollte sein, mit der geringsten Dosierung eine Unterdrückung des ovariellen Zyklus zu erreichen.

Tipp: Der Rossekalender als Entscheidungshilfe
Züchter sollten alle Beobachtungen über die Intensität des Rosseverhaltens und des Verhaltens in der Zwischenrosse in einem sogenannten Rossekalender protokollieren. Die Eintragungen liefern grundsätzliche und individuell wertvolle Erkenntnisse zum Zyklus der Stuten, erleichtern die Bestimmung des optimalen Deckzeitpunkts und können als Entscheidungshilfe für den Einsatz von Hormonen dienen.

Quellen
Walter, J. et al.: Möglichkeiten zur Regulation unerwünschten Sexualverhaltens bei Stute und Hengst, Der Praktische Tierarzt 98, Heft 3, 226-223, Schlütersche 2017
Ahlswede, L.: Leitfaden für die Pferdezucht, Intervet Deutschland GmbH 2011
Bostedt, H.: Vorbereitung der Stute für die bevorstehende Zuchtsaison, veterinär spiegel Ausgabe 04, Jahrgang 20, Enke 2010
Engelhardt, W. et al.: Physiologie der Haustiere, Enke 2015
Aurich, Jörg E. et al.: Physiologie des Sexualzyklus der Stute, in: Aurich, C. (Hrsg.) Reproduktionsmedizin beim Pferd, Parey 2008
ROSZINSKY, M. et al.: So wird Ihre Stute tragend, Rheinlands Reiter + Pferde zucht.spezial, Rheinischer Landwirtschafts-Verlag GmbH 2011
https://www.pferdeklinik-muehlen.de/wp-content/uploads/2017/01/pferdeklinik_muehlen_stutenmanagement.pdf
Deutsche Reiterliche Vereinigung e.V. (FN): Leistungs-Prüfungs-Ordnung (LPO) 2018 – Änderungen/Ergänzungen, gültig ab 1. Januar 2019, Warendorf, Dezember 2018 https://www.fnverlag.de/misc/filePush.php?id=4728&name=Kal-Veroeff-VerbSubst-18-12-2018.pdf (Abruf April 2019)