Hintergrundinformation Mycoplasma-hyopneumoniae

Mycoplasma hyopneumoniae (M. Hyo) ist als Primärerreger der Enzootischen Pneumonie (EP) einer der am weitesten verbreiteten und ökonomisch bedeutendsten Krankheitserreger des Schweins. Die EP ist innerhalb des Komplexes der Atemwegs-erkrankungen des Schweines (PRDC Porcine Respiratory Disease Complex) eine der wichtigsten Erkrankungen in der modernen Schweinehaltung. Sie ist durch eine milde Pneumonie mit trockenem Husten als Hauptsymptom und einem chronischen Verlauf mit hoher Morbidität bei geringer Mortalität gekennzeichnet. M. Hyo fungiert darüber hinaus durch seinen negativen Einfluss auf das Abwehrsystem des Schweines als Wegbereiter für Sekundärinfektionen mit anderen Pathogenen wie beispielsweise dem Porcine Respiratory and Reproductive Syndrome Virus (PRRSV) oder dem Porcinen Circo Virus Typ2 (PCV2) sowie bakteriellen Erregern, wie Pasteurella multocida, Bordetella spp., Actinobacillus spp. und Hämophilus parasuis. Man schätzt, dass sich die jährlichen wirtschaftlichen Verluste durch Behandlungskosten und geringere Mastleistung weltweit in Millionen- bis Milliardenhöhe bewegen.

Mehr zu:

Erreger

Beeinträchtigung der mukoziliären Clearance

Übertragung Klinische Symptome

Wirtschaftliche Aspekte Therapie

Kontrolle von M. hyo.

Impfung

Ein anspruchsvoller Erreger

Mykoplasmen sind die kleinsten freilebenden und selbständig vermehrungsfähigen Organismen. Das winzige Genom von M. Hyo umfasst je nach Stamm nur zwischen 893 und 920 Kilobasenpaare  (Zum Vergleich: das Genom von E. coli ist mehr als 5x so lang). Im Gegensatz zu anderen Bakterien fehlt diesem Erreger eine echte Zellwand, was ihn unempfindlich gegen viele herkömmliche antibiotische Wirkstoffe macht. Aufgrund seines komplexen Nährstoffbedarfs und des hohen Kontaminationsrisikos der Kulturen ist M. Hyo nur schwer anzuzüchten, wächst außerordentlich langsam und bildet sehr kleine Kolonien, die im Gegensatz zu anderen Mycoplasmenspezies nicht die sonst typische spiegeleiartige Kolonieform aufweisen.

Beeinträchtigung der mukoziliären Clearance

Im Organismus ist M. Hyo auf der Oberfläche der Schleimhäute der oberen Atemwege von der Luftröhre bis zu den Bronchiolen zu finden, wo es sich an der Oberfläche der Flimmerhärchen (Zilien) anheftet. Die Zilien spielen eine zentrale Rolle bei der Abwehr von Atemwegserkrankungen, indem sie die oberen Atemwege ständig von eindringenden Krankheitskeimen, Schmutz und Staub frei halten (mukoziliäre Clearance). In der Folge führt der Erre-ger zu degenerativen Veränderungen und schließlich zum Verlust der Zilien. Diese können ihre Reinigungsfunktion nicht mehr ausüben und die Ansiedlung anderer Pathogene wird erleichtert. Darüberhinaus werden die lokalen Abwehrmechanismen der Lunge durch verschiedene immunsuppressive und immunpathologische Effekte geschädigt und begünstigen Sekundärinfektionen zusätzlich.

Übertragung über Kilometer möglich

Die Übertragung von M. Hyo erfolgt als Tröpfcheninfektion von Tier zu Tier oder über erreger¬haltige Aerosole der Atemluft, die über Entfernungen von mehreren Kilometern Infektionen verursachen können.4 In naiven Beständen stecken sich Schweine aller Altersgruppen an. In Herden, in denen der Erreger seit längerem präsent ist, infizieren sich vor allem Ferkel in den ersten Lebenswochen.
Der Kontakt unterschiedlicher Altersgruppen in Beständen mit kontinuierlicher Belegung hat sich als besonderer Risikofaktor erwiesen. Hier zirkuliert der Erreger nicht selten zwischen den Sauen, Ferkeln und Jungsauen sowie später in der Mast zwischen frisch eingestallten Läufern und Schweinen in der Endmast. Tatsächlich infizieren sich die Schweine zwar meist im Ferkelalter, sie erkranken aber häufig erst nach der Umstallung in die Mast. Klinisch manifeste Erkrankungen im Ferkelalter kommen vor allem in Beständen mit kontinuierlicher Belegung, hoher Erregerlast bei den Sauen und gleichzeitiger Zirkulation von PRRSV vor.

Klinische Symptome hauptsächlich in der Mast

Obwohl die EP bei Schweinen jeden Alters auftreten kann, wird sie hauptsächlich bei Mastschweinen sichtbar. Nach einer Inkubationszeit von ein bis drei Wochen ist trockener Husten, der v.a. beim Auftreiben der Schweine zu hören ist („Begrüßungshusten“), zunächst das einzige klinische Symptom. Dieser Husten kann über ein bis zwei Monate andauern. Pathologisch ursächlich für die Symptomatik ist eine katarrhalische Pneumonie mit Exsudat in den Luftwegen. Bei der Sektion fallen makroskopisch sichtbare, scharf abgegrenzte Läsionen in den Spitzen- und Mittellappen der Lunge auf. Da sich die Infektion von Schwein zu Schwein fortpflanzt, kann die jeweilige Gruppe über die gesamte Mastdauer krank erscheinen. Insbesondere im Zusammenhang mit Sekundärinfektionen nimmt die Futteraufnahme ab und die durchschnittlichen Tageszunahmen sinken.
Sekundärinfektionen mit Pasteurella multocida, Bordetella bronchiseptica, Hämophilus parasuis oder Actinobacillus pleuropneumoniae können darüber hinaus zu einer komplizierten Pneumonie mit feuchtem Husten, hohem Fieber und schwerer Atemnot, Pleuritis und Perikarditis führen, die auch als MIRD (Mycoplasma-induced Respiratory Disease) bezeichnet wird.3 Auf der anderen Seite beeinflusst die Infektion mit M. Hyo auch die Dauer und Schwere von viralen Erkrankungen negativ, wie zum Beispiel PRRS. Vor allem bei Ferkeln kann es zu schweren Krankheitsverläufen mit Fieber, Lethargie, Atemnot und Appetitlosigkeit kommen.
Die Ausprägung der klinischen Symptome hängt nicht nur von Sekundärinfektionen mit anderen Pathogenen ab, sondern auch von den Haltungsbedingungen, dem Stallklima und mutmaßlich auch der Virulenz der verschiedenen Stämme von M. Hyo.4

Wirtschaftliche Aspekte

In einem ÜbersichtsArtikel kommen die Autoren beim Vergleich verschiedener Untersuchungen von Schweineherden mit EP auf einen durchschnittlichen Rückgang der täglichen Zunahmen von 17% und einer durchschnittlichen Abnahme der Futtereffizienz um 14%.  Zum Verlust am Ertrag und den Futterkosten kommen die Kosten für Diagnostik und Be-handlung der Tiere. Insgesamt geht man davon aus, dass sich die Schäden, die weltweit durch Infektionen mit M. Hyo entstehen, auf mehrere hundert Millionen, wenn nicht gar auf über eine Milliarde Dollar belaufen.

Schwierige Diagnose

Als Goldstandard für die Diagnose einer Mycoplasmen-Pneumonie gilt die Kultur von M. Hyo, die aber aufgrund der Schwierigkeiten bei der Anzüchtung nicht zur Routinediagnostik genutzt wird. Der direkte Erregernachweis erfolgt heute meist über eine Polymerasekettenreaktion (PCR). Beweisend für eine Erkrankung ist dieser aber nur in Verbindung mit dem typi¬schen klinischen, pathologisch-anatomischen und histologischen Bild.

Grenzen der antibiotischen Therapie

M. Hyo reagiert in vitro empfindlich auf viele antibiotische Wirkstoffe. Zur Anwendung in der Praxis kommen meist Tetrazykline und Makrolide. Daneben sind zum Beispiel auch Lincosamide, Pleuromutiline, Fluorquinolone, Florfenicole, Aminoglykoside und Aminocyclitole potenziell wirksam gegen Mycoplasmen. Da Mycoplasmen keine Zellwand haben, sind sie unempfindlich gegenüber β-Lactam-Antibiotika (Penicilline und Cephalosporine).
Der Antibiotika-Einsatz kann jedoch weder Infektionen noch Rückfälle nach dem Absetzen der Medikation verhindern. Darüber hinaus müssen insbesondere bei Mastschweinen Rück-standsproblematik und Wartezeit beachtet werden.

Kontrolle von M. Hyo: Optimierung von Haltung und Hygiene unerlässlich

Verschiedene Veröffentlichungen der letzten Jahre haben sich mit den Risikofaktoren für EP beschäftigt.7,8 Verbesserungen bei den Haltungsbedingungen und im Hygienemanagement sind in Verbindung mit einer Immunisierung unbedingte Voraussetzungen für eine nachhaltige Kontrolle und Eindämmung der Infektionen mit M. Hyo in Schweinebeständen:
Optimierung der Haltungsbedingungen: Temperatur, Lüftung, Futter, Management.

  1. Rein-Raus-Verfahren, um das Zirkulieren des Erregers zwischen verschiedenen Alters-gruppen im Bestand effektiv zu unterbrechen. 
  2. Ein konsequenter Schutz vor Parasiten und viralen Infektionen (z.B. PRRSV und PCV2).
  3. Unterschiedliche Eradikationsmodelle wurden beschrieben, stellen aber hohe Anforderungen an die Biosicherheit des Betriebes und bergen die potenzielle Gefahr einer Reinfektion.

Vakzination verbessert Erträge

Gegen M. Hyo sind in Deutschland verschiedene Impfstoffe erhältlich. Es werden Impfstoffe für verschiedene Impfzeitpunkte angeboten, zur einmaligen oder zweimaligen Impfung, zur intramuskulären und intradermalen Impfung und auch mit der Möglichkeit der Kombination mit weiteren Routineimpfungen. Welches Schema für welchen Betrieb den besten Erfolg bei vertretbarem Aufwand verspricht, muss in Zusammenarbeit mit dem Hoftierarzt individuell entschieden werden.
Die Impfungen können Infektionen nicht verhindern, aber die Schadwirkungen des Erregers deutlich verringern und so die Erträge in den Beständen erheblich verbessern. In der Praxis konnten eine verbesserte Futterverwertung, eine Verkürzung der Mastperiode, gleichmäßi-gere Schlachtpartien, eine Reduzierung von klinischen Symptomen und Lungenläsionen so-wie geringere Behandlungskosten in geimpften Beständen verzeichnet werden.6 Es gibt Hinweise darauf, dass planmäßige Impfungen im Bestand die Erregerlast und damit den In-fektionsdruck nach einigen Monaten senken können. Aus diesen – vorwiegend wirtschaftlichen – Gründen hat sich die Impfung gegen M. Hyo in den letzten 20 Jahren als unverzicht-bare Standardimpfung etabliert.